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Mr. Germany

December 9, 2020

Mr. Germany

December 9, 2020
in Die Zeit

Josef Joffe

3 December 2020

Copyright 2020 Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co


Zum Tod des großen Institutionengründers Guido Goldman

Es gibt Menschen, die man außerhalb der politischen Klasse nicht kennt, die aber die Welt verändern. Einer davon war Guido Goldman, ein Amerikaner mit deutsch-jüdischen Wurzeln, der 1937 in Zürich geboren wurde und nun im Alter von 83 Jahren gestorben ist. In Amerika, wo seine Karriere in Harvard als Student von Henry Kissinger begann, nannten sie ihn »Mr. Germany«. In Deutschland schlicht »den Guido«.


Wer hier mit Außenpolitik zu tun hatte, kannte »den Guido« – vom Uni-Assistenten bis zu den Kanzlern Brandt, Schmidt, Kohl und Merkel. Dazwischen die Bosse, Diplomaten, Journalisten und Minister. »Der Guido« erfand Networking, bevor es den Begriff überhaupt gab. Seine Markenzeichen: Diskretion, Charme, höchste Intelligenz, beste Manieren, ironischer Witz und profunde Kenntnis deutscher und amerikanischer Politik nebst ihren Protagonisten.


So hat er in kritischen Momenten als »Dolmetscher« Interessen in beide Richtungen getragen, Verständnis erzeugt und Verwerfungen geglättet – immer leise und bescheiden. Seine Großzügigkeit war legendär. Meine Anhänglichkeit erwarb er, indem er seine teuren Havannas mit mir, dem ärmlichen Studenten, teilte. Andere erinnern sich an Größeres: das Stipendium für die vielen Patenkinder, die Unterstützung von Freunden, die in Not geraten waren. Und zahllose Spenden für Kulturelles wie Ballett und Museen.


Von allergrößter, ja historischer Bedeutung sind die Institutionen, die er geschaffen und geführt hat. Sie gruppieren sich um einen Kern: das Verhältnis Deutschland–Amerika mit seinen Verästelungen nach Europa. Es begann 1968 mit dem winzigen German Research Program in einem verfallenden Harvard-Gebäude gegenüber einem Supermarkt – ganz oben Henry Kissinger, sein Mentor und Ziehvater, ganz unten dieser Autor. Daraus wurde das Center for European Studies (heute Minda de Gunzburg Center), in einer prächtigen Villa; die Millionen hatte der begnadete Spendeneintreiber Guido Goldman beschafft. Und noch größer: der German Marshall Fund of the United States.


Als Dank für den Marshall-Plan stiftete die Regierung Brandt 150 Millionen Mark. Unter Kohl kamen Millionen für drei Centers of Excellence for German and European Studies dazu – in Harvard, Georgetown und Berkeley. Und überall die feine Hand des Verhandlungsgenies GG, der allein für Harvard 75 Millionen Dollar eingesammelt hat. In Harvard, wo er praktisch sein ganzes Erwachsenenleben verbrachte, hat er Deutsches gelehrt, ein schriftliches Werk hat dieser brillante Kopf nicht hinterlassen.


Er war, was man in Amerika einen institution builder nennt, ein Architekt der deutsch-amerikanischen Versöhnung und Verständigung. Deutschland hat ihn dafür mit dem Großen Verdienstkreuz geehrt. Auf seinem Grabstein müsste stehen: »Macher, Denker und Mäzen, Menschenfreund und Menschenfischer«.


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